Eine Delegation aus CDI-Partnern hat im Humber Industrial Cluster Unternehmen der energieintensiven Industrie besucht. Im Austausch mit den Fachkolleg*innen zeigten sie sich beeindruckt von den vielfältigen Projekten und den Fortschritten auf dem Weg zu einer dekarbonisierten Industrie gemäß dem Motto: „Cleaner, Leaner, Greener“.

Organisiert vom Cluster Dekarbonisierung der Industrie (CDI) und dem Unternehmen Future Humber reisten vom 7. bis zum 9. Oktober 2024 CDI-Partner in die Region Hull im Nordosten Englands, um vor Ort Dekarbonisierungsprojekte und Kooperationsmöglichkeiten zu erkunden.
Das Humber Industrial Cluster
Das Humber Industrial Cluster ist eines von sechs großen Industrieclustern in Großbritannien und gilt als größter CO₂-Emittent des Landes. „If we do not decarbonise the Humber, we will not meet our national climate goals in Great Britain“, so Dr. Diana Taylor, Managing Director von Future Humber beim Empfang unserer Delegation.

Windkraft und Wasserstoff im Fokus
Auftakt der dreitägigen Erkundungsreise bildeten die Expertenpanels zu den Themen Offshore-Windenergie und Wasserstoff.
Im Aura Innovation Centre erläuterte Prof. James Gilbert gemeinsam mit Emma Toulson von Ørsted, Corine Barry von RWE und Ben Hill von Siemens Energy, wie Großbritannien seine geografische Lage und sein langjähriges Know-how im Bereich Offshore-Windenergie erfolgreich nutzt. Großbritannien ist der größte Offshore-Windenergieproduzent in Europa mit einer derzeit installierten Leistung von 15 GW. Diese soll bis zum Jahr 2030 vervierfacht werden. Allein vor der Küste des Humber Clusters werden fünf Windparks betrieben, darunter der derzeit weltweit größte Windpark von Ørsted. Noch ehrgeizigere Windparkprojekte wie Dogger Bank und Sofia sind in Planung bzw. im Bau. Die anschließende Besichtigung bei Siemens Gamesa bot der CDI-Delegation beeindruckende Einblicke in die Dimension der Windrotorblätter der aktuellen Generation mit einer Länge von 108 Metern, eine zweite Version kommt auf bis zu 115 Metern.

Im zweiten Workshop diskutierten die Panel-Teilnehmenden unter der Leitung von Jonathan Oxley intensiv über die Wasserstoffproduktion in Kombination mit CCS (Carbon Capture Storage). Dabei lag der Fokus auf dem H2H Saltend-Projekt von Equinor, dem norwegischen Energieunternehmen, das schon seit Jahrzehnten CCS-Technologien in Norwegen einsetzt. Nur mit dieser Methode lässt sich kohlenstoffärmerer blauer Wasserstoff herstellen, indem das entstehende CO₂ abgefangen und im Meeresboden gespeichert wird – ein klarer Vorteil gegenüber CO₂-intensivem grauem Wasserstoff.
Grüner Wasserstoff, der ausschließlich mit grüner Energie durch Elektrolyse hergestellt wird, bleibt in Europa jedoch vorerst ein langfristiges Ziel. Die nötigen Mengen an Wasser und regenerativer Energie fehlen noch für eine großflächige Umsetzung. Kooperationen mit Ländern wie z. B. Saudi-Arabien sind daher ein vielversprechender Weg, Air Products verfolgt diesen mit seinem Projekt „Neom“.
Besichtigungen bei Unternehmen der energieintensiven Industrie
Weitere Unternehmensbesuche führten die CDI-Partner zu den Unternehmen Catch, Phillips 66 und Drax:
- Catch wurde auf Initiative der Humber-Unternehmen ins Leben gerufen. Die Einrichtung bildet Industriefachkräfte für die „Route to Net Zero“ aus. Die Delegation besuchte eine Werkstatt für Schweißtechnologie. Catch plant den Aufbau eines Net Zero Training Centres of Excellence.
- Bei Phillips 66 fuhr die Delegation mit Mark Riley (Project Control Lead Emerging Energy) und Paul Fursey (Lead Executive UK and General Manager) über das Raffinerie-Gelände. Die innovative Produktpalette von Phillips 66 ist vielseitig: So wird u. a. aus UCO (Used Cooking Oil) SAF (Sustainable Aviation Fuel) hergestellt, ebenso wird Biodiesel produziert sowie Spezialkoks für die Herstellung von Graphitanoden für leistungsstärkere Batterien in E-Fahrzeugen.
- Das Unternehmen Drax, ehemals Englands größtes Kohlekraftwerk, ist heute das weltweit größte Biomasse-Kraftwerk auf Basis von Holz. Jährlich erzeugt dort die Verbrennung von ca. 8 Mio. Tonnen Holzpellets erneuerbaren Strom für britische Haushalte.

Politische Unterstützung, Wissenstransfer und Austausch
Im dritten Workshop vermittelte Richard Halsey, Director Energy Systems bei Catapult, der Delegation einen überzeugenden Einblick in die politische Unterstützung für die Dekarbonisierung in Großbritannien. Sie gehöre zu den fünf wichtigsten Prioritäten der aktuellen britischen Regierung. Blauer Wasserstoff in Verbindung mit CCS, Offshore-Windenergie und Kernenergie spielen dabei eine ebenso wichtige Rolle wie politische Instrumente wie der Emissionshandel und die sogenannten Contracts for Difference (CfD).
Die Teilnehmenden nutzten die Gelegenheit für einen intensiven Austausch mit den britischen Expert*innen und diskutierten auch die Möglichkeiten zur Übertragbarkeit der Modellvorhaben auf Deutschland sowie mögliche wissenschaftliche und wirtschaftliche Kooperationen. Wir danken ganz herzlich Dr. Diana Taylor, Managing Director von Future Humber, für die Unterstützung bei der Reiseplanung und den herzlichen Empfang in Hull! Das CDI freut sich auf die weitere Zusammenarbeit mit diesem fortschrittlichen Industriecluster.
