Er betonte, energieintensive Unternehmen könnten mit den aktuellen Strompreisen nicht leben. Sie bräuchten einen Preis in der Größenordnung 5 bis 6 Cent/kWh. Aktuell kläre das Ministerium, für wie viele Unternehmen ein vergünstigter Preis gelten soll. Als mögliche Größe könnte die Liste der Unternehmen gelten, die früher von der Zahlung der EEG-Umlage befreit waren. Graichen nannte eine Strommenge von rund 100 TWh, die bezuschusst werden müsste.
Erste Überlegungen für einen Industriestrompreis aus dem Wirtschaftsministerium waren im Januar bekannt geworden. Mittelfristig sollen sich Unternehmen dabei günstige Strommengen aus Offshore-Windparks sichern können (energate berichtete). Eine Lösung braucht es aber für die Zeit, bis diese Anlagen stehen. "Das wird Geld kosten", betonte Graichen. Eine Herausforderung sei daher, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zu überzeugen. Er verwies darauf, dass die vorgesehenen 200 Mrd. Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds nicht ausgeschöpft werden (energate berichtete). Grund sind sinkende Energiepreise. "Geld ist also da, man muss nur wollen", so Graichen.
Hürde EU-Kommission
Zu einem deutschen Industriestrompreis muss auch die EU-Kommission ihr OK geben. Diese werde genau darauf schauen, dass es keine Wettbewerbsverzerrung gebe, so Graichen. Es brauche also ein Konzept, das EU-weit trage. Klar sei, dass Deutschland keine Wertschöpfung aus anderen europäischen Staaten abziehen wolle.
Niedersachsen schlägt 7 Cent/kWh vor
Unterstützung für einen Industriestrompreis bekommt das Bundeswirtschaftsministerium nicht nur vonseiten der Gewerkschaften (energate berichtete). Auch die Energieminister der Bundesländer sprachen sich vor wenigen Wochen dafür aus (energate berichtete). Konkrete Vorschläge kommen nun aus Niedersachsen. Die rot-grüne Landesregierung in Hannover schlägt vor, einen für zehn Jahre auf 7 Cent/kWh gedeckelten Industriestrompreis spätestens zum 1. Januar 2024 einzuführen. "Wir wollen mit unserem Vorschlag dazu beitragen möglichst schnell neue Perspektiven für die energieintensive Industrie zu eröffnen", erklärte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).
Davon profitieren sollen Unternehmen, die sich in der Transformation befinden beziehungsweise in diese einsteigen. "Dabei kann die Transformation beispielsweise auch darin bestehen, dass stufenweise Strom aus fossilen Energieträgern durch Strom aus erneuerbaren Quellen ersetzt wird", heißt es in einer Mitteilung. Die Landesregierung hat Unternehmen der Chemie- und der Metallindustrie sowie aus den Bereichen Papier, Glas oder Keramik im Blick. Hinzukommen sollen Hersteller von Batteriezellen, Solarmodulen oder Unternehmen, die in der Erzeugung von Wasserstoff tätig sind.
5 Mrd. Euro pro Jahr
Für die Abwicklung kommt aus Sicht der Landesregierung die existierende "Strompreiskompensation" zur Abmilderung der emissionshandelsbedingten Strompreissteigerungen infrage. "Hiermit erlaubt die EU-Kommission direkte Ausgleichszahlungen an Unternehmen bestimmter Branchen, die als besonders energieintensiv anerkannt sind und deren Produkte einer gewissen internationalen Handelsintensität unterliegen", heißt es in einem der Redaktion vorliegen Papier der niedersächsischen Landesregierung. Darin wird mit Kosten von knapp fünf Mrd. Euro pro Jahr kalkuliert. Mit der Summe ließe sich der Börsenstrompreis für die Unternehmen schrittweise bis 2026 auf 7 Cent/kWh drücken.
"Die Förderung sollte davon abhängig gemacht werden, dass die Unternehmen eine klare Transformationsstrategie verfolgen", heißt es in dem Papier weiter. Zudem sollen sie Garantien zu Standorten und Arbeitsplätzen abgeben. Um Netzengpässe zu reduzieren, sollen Unternehmen, die vor Engpässen der Übertragungsnetzbetreiber liegen, Rabatte auf die Entgelte halten. Dies würde vor allem Unternehmen im Norden nützen. /kw